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Das online Archiv der Kunsthalle Bern ist zugänglich über folgenden Link:
https://archiv.kunsthalle-bern.ch/

Die Digitalisierung analoger Archive gehört heute zum Zeitgeist. Informationen, die früher nur zugänglich waren, wenn man physisch Bücher durchlas oder Archivunterlagen sichtete, verlagern sich in jüngster Zeit zunehmend in eine neue, digitale Art von Public Domain. Für alle, die aus bisher unzugänglichen Quellen neues Wissen zusammentragen und auch für Institutionen, die gerne Material zugänglich machen wollen, das bisher nur auf Anfrage verfügbar war (und oft nur mit Handschuhen angefasst werden durfte), bietet diese Entwicklung völlig neue Möglichkeiten.

Die Übertragung eines materiellen Archivs in digitale Form ist jedoch ein mühsames und kostspieliges Unterfangen. Manchmal legt das günstige Kosten-Nutzen-Verhältnis ein solches Projekt nahe, in den meisten Fällen aber fristen Sammlungen eher ein Mauerblümchendasein, sodass sich der Aufwand nicht ohne Weiteres lohnt. Plakate, Kataloge und Fotos lassen sich problemlos rechtfertigen, aber wer interessiert sich für Zollzettel, Rechnungen und persönliche Briefwechsel zwischen Kurator*nnen und Künstler*nnen aus hundert Jahren? Wir wissen, dass es dieses Interesse gibt, und wir wissen, dass etwa die im Korrespondenzarchiv der Kunsthalle Bern aufbewahrten Briefe aufgrund der jeweiligen historischen Zusammenhänge ungemein interessant sind. Statt also sämtliche Materialien komplett zu digitalisieren und zahlreiche Stunden und wertvolle öffentliche Ressourcen aufzuwenden, bis dann am Ende irgendwann das Material tatsächlich digital zugänglich sein wird, haben wir uns entschlossen, das Vorhaben in Zusammenarbeit mit Astrom/Zimmer und 51st Floor Studio anders anzugehen, und zwar auf eine Weise, die der Bedeutung des Archivs Rechnung trägt, indem die Sichtbarmachung von Forschungszusammenhängen von Anbeginn in den Digitalisierungsprozess einbezogen wird.

Jedes Jahr besuchen mindestens hundert Forscher*innen das hauseigene Archiv der Kunsthalle Bern. Ab 2018 bieten wir den Besucher*innen eine neue Art des Umgangs mit dem Material. Angefangen mit dem Korrespondenzarchiv, werden sämtliche Dokumente neu katalogisiert und die Ordner, in denen sie abgelegt sind, mit RFID-Chips versehen. Ein eigens für die Kunsthalle Bern hergestellter Arbeitstisch erlaubt es den Forscher*innen, mit einer montierten und von einem Computer-Interface gesteuerten Kamera digitale Abbildungen einzelner Dokumente anzufertigen. Dank integrierter RFID-Antennen weiss das System, welcher Ordner sich gerade auf dem Tisch befindet, und so werden die Abbildungen automatisch mit ihren jeweiligen physischen Ordnern verlinkt. Da die Archivare*innen der Kunsthalle Bern jeden Ordner mit einer Ausstellung, einer Kuratorin oder einem Kurator und, wenn möglich, mit Künstler*innen und anderen relevanten Instanzen verlinkt haben, ist die Basis des inhaltlichen Bezugsrahmens eines Dokuments vorgegeben. Mit Hilfe des Computer-Interface können die Forscher*innen zusätzliche Informationen ergänzen und abspeichern, bevor sie das nächste Dokument einscannen. Auf diese Weise wird ihnen ein Instrument an die Hand gegeben, mit Hilfe dessen sie konsequent dokumentieren und problemlos Referenzmaterialien erstellen können, während sie gleichzeitig das digitale Archiv befüllen und dieses allmählich für externe Benutzer öffnen. Die Online-Präsenz des Archivs kann das Interesse anderer Forscher*innen wecken. Die im Entstehen begriffenen Erzählfäden und Inhalte sind für sie sichtbar und lassen sich mit anderen Forschungs- und Recherche-Interessen verknüpfen.

Hinzu kommt, dass jedes Dokument als Teil eines Forschungsprojektes digitalisiert wird. Während das digitale Archiv wächst, wird jedes Dokument als Teil einer Geschichte in einen narrativen Kontext gestellt, mit eingebauten Links zu anderen Dokumenten in der Sammlung. Threads ziehen sich durch das Archiv, überschneiden sich und machen Zusammenhänge sichtbar, die sonst verborgen bleiben würden. Dieses Tool kann als ein Aufzeichnungsgerät verstanden werden, das die Nutzung des Archivs der Kunsthalle Bern aufzeichnet. Die Automatisierung der Einsicht von Archivmaterialien erlaubt Nutzern einen denkbar umfassenden Zugriff auf Informationen, der in der Vergangenheit oft unmöglich war.

Dieses Projekt ist ein Experiment wie auch ein Arbeitsinstrument, zugleich aber auch ein Nachweis der Machbarkeit einer neuen Generation digitaler Archive. Wir entwickeln dieses Projekt in enger Zusammenarbeit mit den Archivar*innen, Berater*innen und Gast-Forscher*innen und hoffen damit einen Beitrag zu einer umfassenderen Debatte über die Nutzung, die Herausforderungen und das Potenzial digitaler Archive zu leisten.

Mit grosszügiger Unterstützung von Kultur Stadt Bern, Swisslos Kultur Kanton Bern, Burgergemeinde Bern, UBS Kulturstiftung, Jubiläumsstiftung der Mobiliar, Sophie und Karl Binding Stiftung, Memoriav, Ursula Wirz Stiftung, mmBE Akzent und Gesellschaft zu Mittellöwen.